Der Alleskönner

Ich lernte ihn in einem Urlaub auf – ich glaube es war auf Fuerteventura – kennen. Damals saß er jeden Morgen beim Frühstück auf dem einzigen in der Sonne liegenden Platz. Und dies jeden Morgen. Also ich konnte kommen wann ich wollte, er war schon da.

Abends in der Disco tanzte er dermaßen perfekt den Moonwalk im Stil von Michael Jackson, das alle das Tanzen aufhörten. Und ihm zuschauten.

Er besuchte mich dann und wir gingen über die Kirmes in Düsseldorf. Bei „Hau den Lukas“ blieb er stehen und knallte den Lukas scheppernd bis zum Anschlag. Ich kam nicht annähernd so weit.

Am Abend sah er mein Saxophon und fragte, ob ich spielen könne. Nun, ich hatte gerade angefangen, Unterricht zu nehmen und spielte ihm stolz die Tonleiter vor. Er grinste, nahm das Instrument und spielte kerzengerade das Solo von „A walk on the wild side“.

Ich blieb dann erst mal ein wenig aus seiner Reichweite. Aber ein paar Wochen später bekam ich eine E-Mail: Ein Auftrag. Ein gigantischer Auftrag. Ich sollte eine große Firma mit gelbem Logo aus Bonn schulen. Die Unternehmensberatung, für die er arbeitete (die mit dem M am Anfang) war dort tätig und veränderte gerade einiges.

Ich gab auf.

Er konnte einfach alles.

 

Aus den Aufzeichnungen „Wär´ ich doch in Düsseldorf geblieben“

C wie Charisma

Jetzt hat auch die Geschäftsführung erkannt, das dieses Projekt Ende des Monats zu Ende geht. Und eine Verlängerung keinesfalls durch ist. Es geht ja auch um die Summe von 50 bis 70 Millionen Euro.

So sitzen in den Projektmeetings neuerdings ein Abteilungsleiter (der nie grüsst… beim aneinander vorbeigehen auf dem Flur) und Dimitri, sein Mann für´s Grobe.

Cheffe muss jetzt viele Fragen beantworten, sehr viele Fragen, die alle schon beantwortet waren. Es ist immer die gleiche Geschichte. Auf der einen Seite die jungen, unerfahrenen Kämpfer, die Karriere machen wollen, und sich an Prozess- und Projektmanagement-Systemen festhalten, mit diesem rein theoretischen Wissen protzen und Fremdwörter in die Runde werfen. Auf der anderen Seite der erfahrene Projektleiter, durch wer weiss wie viele Meeting-Schlachten gegangen, lebende, anfassbare Kompetenz, der sich um nichts schert, der nichts nötig hat, immer zu spät zu Meetings kommt, dessen Handy wohl an die 100 x am Tag klingelt.

Cheffe (dieses Mal etwa 20 Minuten zu spät im Meeting erscheinend): „Dann fangen wir mal an.“ Abteilungsleiter ohne Gruss: „Ja. Wir sind schliesslich jetzt auch vollständig.“ Eisige Stille. Keiner lacht, keiner grinst.

Die Sympathien sind eindeutig. Der letzte Anarchist – so wird er liebevoll hinter vorgehaltener Hand genannt – strahlt Authentizität aus. Auch so etwas wie liebevolle Fürsorge.

Das lernt man an keiner Uni.

Charisma pur.

Aus den Aufzeichnungen “Das Buch vom Business – wie Du erfolgreich bist, ohne ein Arschloch zu sein”

O wie Outsourcing

Ich arbeitete in Düsseldorf bei dem Konzern, der damals als das modernste Unternehmen der Welt galt. Klar, Amerikaner, die eine erfolgreiche deutsche Firma gekauft hatten. Und die musste umgekrempelt werden. Dafür kam er. Ein kleiner dicker Mann indischer Abstammung, der über die Flure wanderte und die Leute ausfragte. Da er kein Deutsch konnte, alles auf Englisch. War sehr schwer ihm zuzuhören, denn er stotterte. Downsizing und Outsourcing waren seine Botschaft. Seine Opfer sollten die 40 Leute in der IT-Abteilung werden, deren Chef gerade dabei war, sich von einer Chemotherapie zu erholen und noch ziemlich wackelig auf den Beinen war. Das erste Statement, was der Kollege setzte, war aber erst einmal die Entlassung der älteren Dame, die zur Aufbesserung ihrer Rente den Kopierer bediente. Er hatte herausgefunden, das Kopien beim Copy-Shop um die Ecke billiger wären.

So geht also Outsourcing.

Die nächste Idee war, die IT-Abteilung in vier Bereiche zu gliedern, die jeweils von einer Fachkraft besetzt werden würde, darüber der bisherige IT-Leiter (der immer noch sehr  wackelig war). Nun kommt´s… ohne die 40 bisherigen Mitarbeiter. Das wäre also pures Downsizing. Und jeder der vier würde mit externen Firmen statt der 40 zusammenarbeiten. Also mit Outsourcing dabei.

Das war der Punkt – ich hätte einer dieser 4 Musketiere sein sollen – wo ich zum Personalleiter bestellt wurde und er mir das mit den Stoikern* erklärte.

Ich war nämlich ganz und gar nicht einverstanden mit diesem Prozess. Gut, das die Tür vom IT-Leiter gepolstert war, denn es wurde laut in seinem Büro, sehr laut.

 

* Stoisch bedeutet allgemein „gleichmütig“, „unerschütterlich“. Es beschreibt Menschen, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, stets beherrscht und weitestgehend frei von emotionalen Schwankungen sind.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mossul

Ein Headhunter am Telefon. Okay, der Ausdruck ist veraltet.
Er selber würde sich wohl Personalberater nennen.
Ist aber unterm Strich dasselbe.
Er sucht Leute für Jobs.

Wir quatschen fröhlich miteinander.
Kennen uns seit über 10 Jahren.
Sehr angenehmes Gespräch.
Ich erfahre Neues und er genau so.

Und dann kommt er zur Sache.
Er sucht jemand.
Klar.
Wo denn?
In Mossul!

Die Stille nach dem Wort kann man greifen.
Ich sage schliesslich, aha… mit Bodyguard?
Er lacht. Einer wird wohl nicht reichen.
Und ausserdem könnte er guten Gewissens niemand dorthin vermitteln.

Wir lachen beide.
Bis zum nächsten Mal.
Aber bitte nicht in Mossul.

A wie Arschloch

A  …   wie Arschloch

 

Als ich ihn kennenlernte, hatte ich nicht sofort gemerkt, dass er ein Arschloch ist. Das war bei einem Seminar im Künstlerdorf Worpswede, wir waren 6 Personen und lauschten einem weisen Mann, der uns die Welt erklärte.
Der fragte das Arschloch: „Was ist los mit Ihnen? Trinken Sie? Spielen Sie? Gehen Sie regelmässig in den Puff? Nein? Aber warum sind Sie so fies? Sie erinnern mich an einen Boxer, der immer austeilen muss. Und sie sehen ja auch aus wie Sven Ottke!“
Ja das stimmte. Er sah aus wie Ottke, der Boxer aus Berlin. Und nun wurde mir klar, warum er morgens beim Frühstück, wenn ich den Tee aus der Kanne einschenkte, immer seine Tasse anhob. So, dass ich die relativ schwere Kanne höher heben musste.
Er konnte nicht anders.
Er war fies. Ins Feuer gefallen statt vom Feuer geküsst.
Was kannst Du machen, wenn Du auf ein Arschloch im Büro, im Alltag, triffst?
Nichts kannst Du machen. Lauf weg. Weit weg.

 

Aus “wär ich doch in Düsseldorf geblieben”

Ganz einfach

Ich muss Dich mal dringend sprechen…. kann man das lernen, Terminplaner? Das wäre was für mich, das kann ich auch. Zeig mir doch mal ein bisschen Primavera, ich kann ganz gut Excel, das kriege ich hin. Und Du hast doch so viele Kontakte, ich kann dann ja von zu Hause arbeiten und Du besorgst die Aufträge.

 

 

 

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“

Auf der Jagd nach den Rettungsbooten

Nach diesem Auftrag ist Schluss. Es gibt nämlich keine neuen. Und der Mutterkonzern hat einen Horror-Verlust von 5 Milliarden Euro eingefahren. Was tun?

Die Mutigen warten nicht auf Entscheidungen, die sich keiner traut, zu treffen und springen von Bord. Sie sehen Land und werden es schaffen. Die weniger Mutigen warten darauf was passiert, auf Umstrukturierung, auf neue Stellen, auf den Platz in den Booten.

Es ist wie bei der Titanic… es gibt nicht genug davon.

 

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“

Multi-Kulti-Meeting

Meeting um 13:00. Der Kollege Terminplaner vom Kunden hat eingeladen. Zu meiner Qual moderiert er das Meeting. Er kommt von einer Unternehmensberatung und die sind bekannt für ihre Liebe zu Methoden und Prinzipien. Die dann am wahren Leben abprallen, so wie hier und heute: Drei Italiener dominieren lebendig und munter die Diskussionen, ein Franzose mischt sich ab und an ein, dazu ein schläfriger Belgier, ein grinsender Holländer sowie zwei stille Japaner. So ein Meeting endet wie es enden muss: Im Chaos eines deutsch-italienisch-französisch-belgisch-holländisch-japanischen Englisch. Und der Kollege Terminplaner möchte am liebsten in die Tischplatte beißen.

Ich habe ihn nicht getröstet.

El Cava

Bei unserer ersten Begegnung – es war ein Vorstellungsgespräch in Düsseldorf und er hatte sich auf eine Anzeige beworben – wirkte er wie ein…. ja wie ein Penner. Er erinnerte mich damals an die Szene aus dem Film Pulp Fiction, in der John Travolta Bruce Willis an der Bar sieht, ihn abschätzig mit den Worten „Was willst Du, Penner?“ mustert. Ja, so ähnlich war das, mit dem Unterschied, dass ich diese Worte seinerzeit nur dachte. Aber ich gab ihm eine Chance und ich wollte auch nicht wie Travolta auf der Toilette erschossen werden und er kam ein zweites Mal…. mit der Vorgabe, in einem business-tauglichen Outfit zu erscheinen. Was ich dann zu sehen bekam, war nicht unbedingt vergleichbar mit einem Anzug, den seinerzeit die IT-Freaks trugen, das, was er da an hatte wirkte wie aus einem anderen Zeitalter.

Nun, so begann die Zusammenarbeit mit El Cava, dem Devil Head.

Bis ich eines Tages erfuhr, dass er dem Finanzamt Düsseldorf-Altstadt 1 Mio DM unterschlagen hatte.

 

 

Aus den Aufzeichnungen „Wär´ ich doch in Düsseldorf geblieben“

 

Moby Dick

Noch ist das Besprechungszimmer leer, doch der erste kommt, der zweite, dann drei Mann zusammen. Wie Möwen, die anfangen zu flattern, immer mehr. Bevor der Wal bläst und aufsteigt. Aufregung, grosse Aufregung.
Doch Moby Dick kommt heute nicht. Und er sagt auch nicht ab.

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“