Es ist doch nur ein Job

Die Betriebsversammlung war zu Ende, der Sozialplan stand fest, Auffanggesellschaft, 40 % der Belegschaft werden bis zum Jahresende gehen müssen.

Nun saßen sie in ihrem Großraumbüro, zu sechst, man hatte ihnen gesagt, sie sollten an ihrem Arbeitsplatz warten, diejenigen, die es betrifft, werden angerufen.

Da klingelte das erste Telefon.

Der Kollege kam nach 15 Minuten kreidebleich zurück. Er hatte nicht damit gerechnet.

Das zweite Telefon klingelte.
Ftsg. folgt

Jonglage in Bogatynia

Der Winter ist vorbei.
Alles wächst.
Auch die Löcher in der Strasse.

Die tägliche Autofahrt nach Bogatynia über die polnischen Landstrassen wird nun zum Test der eigenen Konzentration, des Lenkrades und der Reifen.

Der Kollege A. – frisch aus der Zentrale eingetroffen –  knallte bei seiner ersten Fahrt am frühen Morgen in eines der vielen Löcher: Gleich zwei Reifen waren platt.

Er hatte das Jonglieren noch nicht verstanden.

 

Auf der Jagd nach den Rettungsbooten

Nach diesem Auftrag ist Schluss. Es gibt nämlich keine neuen. Und der Mutterkonzern hat einen Horror-Verlust von 5 Milliarden Euro eingefahren. Was tun?

Die Mutigen warten nicht auf Entscheidungen, die sich keiner traut, zu treffen und springen von Bord. Sie sehen Land und werden es schaffen. Die weniger Mutigen warten darauf was passiert, auf Umstrukturierung, auf neue Stellen, auf den Platz in den Booten.

Es ist wie bei der Titanic… es gibt nicht genug davon.

 

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“

Als Tommy seine Wohnung anzündete

Tommy wusste wohl wirklich nicht mehr weiter. Am Abend vorher hatte ich ihn auf Bitten des Ältesten aus der Abteilung angerufen, ihm vorsichtig gesagt, sein Verhalten würde so nicht mehr toleriert. Schließlich könne er dem Gruppenleiter keine Prügel androhen und brüllend durch die Firma toben. Er reagierte unwirsch, sie könnten ihn alle mal, er würde sich selbständig machen und dann würden sie schon sehen. „THOMAS“, sagte ich, „Thomas, so einfach ist das nicht. Noch kannst Du wieder zurück, Du musst Dich nur entschuldigen!“

Er legte auf.

Zwei Tage später entdeckte meine Lieblingskollegin als erste die Nachricht. Im Lokalteil mit der Überschrift: „Innere Stimme befahl Brand“. Wir konnten es zunächst nicht glauben, doch er war es. Tommy hatte in seiner Wohnung an mehreren Stellen Feuer gelegt, sich auf den Balkon gestellt und in aller Ruhe eine Zigarette geraucht. Die eintreffende Feuerwehr nahm ihn gleich mit:

5 Jahre auf Bewährung in einer psychiatrischen Anstalt.

 

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“

 

Auf dem Schaukelpferd

Es fing so harmlos an.

Meine Frage galt seinem Befinden und dem Glückwunsch, das in einem Jahr seine Insolvenz vorbei ist und er wieder Geld verdienen kann.

Er: „Ich brauche kein Geld“.

Ich: „Wie, Du brauchst kein Geld?“.

Er: „Ja, sagte ich doch. Geld ist unnötig“.

Hmmm, ich überlegte. Kein Geld. Vor 3 Monaten hatten sie ihm den Strom abgedreht, seine Freundin war im Begriff, ihn zu verlassen – genau wie damals seine Ex-Frau, die Mutter seiner Kinder.

„Du kannst doch viel Geld verdienen und bescheiden leben“, ich versuchte es erneut. „Und Du kannst dann nach Frankreich fahren, so wie früher“.

„Das mit Frankreich wäre ok, aber ansonsten brauche ich kein Geld“.

Ich gab auf. Er war beleidigt und ich fassungslos.

Ich ließ ihn sitzen, auf seinem hohen Ross. Schließlich war es doch nur ein Schaukelpferd.

 

 

Aus den Aufzeichnungen „Wär´ ich doch in Düsseldorf geblieben“

Seht her, ich habe ein Geheimnis

14-jähriger Sohn klettert aufs Dach, nachdem sein Vater ihn und seinen Bruder zur Rede gestellt hat, weil sie verbotenerweise mit seiner wertvollen, antiken Eisenbahn gespielt haben. Er stürzt ab und stirbt. Der Bruder wird psychiatrisch behandelt, seine Mutter begleitet ihn und umhüllt sich mit einem schwarzen Tuch, um nicht erkannt zu werden (sie ist sehr prominent). Die Psychologin gibt ihr den Tip, das Tuch wegzulassen, weil es kontraproduktiv wirkt: Seht her, ich habe ein Geheimnis.

 

Aus den Aufzeichnungen „Wär´ ich doch in Düsseldorf geblieben“

Moby Dick

Noch ist das Besprechungszimmer leer, doch der erste kommt, der zweite, dann drei Mann zusammen. Wie Möwen, die anfangen zu flattern, immer mehr. Bevor der Wal bläst und aufsteigt. Aufregung, grosse Aufregung.
Doch Moby Dick kommt heute nicht. Und er sagt auch nicht ab.

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“

Kriegsrat

Es wird festgestellt, dass wir an die Wand gedrückt werden. Vom Auftraggeber, vom Konsortialpartner, ja selbst vom Sub-Unternehmer. Was ist zu tun? Vorschläge von links, von rechts. Der Geschäftsführer, seine Augen glänzen, glitzern wie Tränensterne, ist unzufrieden.
„Haben wir noch die richtigen Mitarbeiter?“, sein Blick wandert durch die Runde.

 

 

Aus den Aufzeichnungen „Big Bossi has left the building“

 

 

Virtuelle Welt

Und da gab es den Jungen, um die 17 Jahre alt muss er gewesen sein,
der den ganzen Tag und die ganze Nacht vorm Spiele-Computer saß.
Beim Betreten eines Raumes testete er als erstes, ob der Boden hielt:

Er berührte ihn mit seiner rechten Hand und wusste dann, ob alles real oder virtuell war.

Neulich an der Haustür

Es muss im Januar gewesen sein, jedenfalls war es draußen noch dunkel, da wachte ich durch ein Dauerklingeln an der Haustür auf. Ich schaute nach rechts, meine Begleiterin, die auch Karate kann, schlief friedlich. Das war wohl ein stürmischer Traum, dachte ich beim Aufstehen und da wieder… Klingeln ohne Unterbrechung. Ich schaute aus dem Fenster, war etwas mit meinem Auto?, nein, der Freund stand friedlich vor sich hin. An der Haustür war der Bewegungsmelder an. Kurz entschlossen riss ich die Tür auf: Vor mir stand ein reichlich zerlumpter Mann, in der rechten Hand hielt er ein Bild, auf das er mit lauten und nicht verständlichen Worten zeigte, es sah ein wenig aus wie ein Marienbildchen. Radebrechend kam er auf mich zu und ich zeigte ihm ein auf der ganzen Welt verständliches Zeichen, ich tippte an meine Stirn und knallte die Tür zu. Weg war er.

Heute glaubt mir das niemand mehr. Sie sagen, ich hätte geträumt.